1849: Darlegung der Ziele und Arbeiten der Kongregation

,,Die Brüder der christlichen Lehre der Diözese Strass­burg bilden für sich allein eine religiöse Lehrkongregation unter dem Schutz des hl. Vincenz von Paul, den sie zum Pa­tron und zum Vorbild erwählt haben. Sie sind vereint mit Gott und unter sich durch die gewöhnlichen Ordensgelübde und haben als Ziel die Erziehung und den Unterricht der Kinder des Volkes, zu welchem sie sich durch ein besonderes Gelübde verpflichten. Ihr erstes und wichtigstes Werk ist die Sorge für die Waisenkinder des Willerhofs. Diese Anstalt ist die Wiege und das Mutterhaus ihrer Genossenschaft. Ihre gesetzliche Existenz ist von der Regierung anerkannt. Bis heute haben sie sich fast nur mit der Erziehung der Waisen der Diözese Strassburg befassen können; bloss einige Brüder haben das Mutterhaus verlassen, um die Leitung von Gemein­deschulen zu übernehmen.

,,Die Ausbildung der guten Brüder ist eine langwierige und kostspielige Arbeit, die aber nichtsdestoweniger durch Eifer und Opfer zum Erfolg führt. Ich kann Ihnen auch ver­sichern, dass der liebe Gott unser Unternehmen schon sehr gesegnet hat und ich zweifle keineswegs am weiteren Erfolg, wenn Gott und seine allerheiligste Mutter fortfahren, uns zu beschützen, wie sie es bis heute taten.

,,Wîr nehmen die jungen Leute, welche in sich den Beruf fühlen, Brüder zu werden, erst nach vollendetem 15. Lebens­jahre auf und halten sie sofort zu gründlichen Studien und zu den Übungen des Ordensleben an. Diese erste Prüfungs­zeit, das Postulat, dauert solange die Oberen es für gut fin­den. Werden die Postulanten als genügend reif angesehen, dann werden sie in das Noviziat aufgenommen, welches die eigentliche feste Prüfungszeit bedeutet. Die Novizen setzen ihre Studien auch während dieser Zeit fort. Nach Ablauf von zwei Jahren werden die Novizen zur Ablegung der zeit­weiligen Gelübde zugelassen.

-,,Findet man die jungen Leute genügend ausgebildet, dann lässt man sie, immer vor dem 20. Lebensjahr, die Prüfung an der Akademie von Strassburg bestehen, damit sie das ,,Brevet de capacité” erhalten, in den Lehrkörper der Universität ein­gereiht werden, im öffentlichen Unterricht tätig sein können und vom Militärdienst befreit werden.

,,Wenn die Brüder die Gelübde abgelegt und das Be­fähigungszeugnis für das Lehrfach erlangt haben, d. h. wenn sie genügend gefestigt in Tugend und Wissenschaft dastehen, um Ehre für unsere heilige Religion einzulegen, die sie auf eine ganz spezielle Weise in den Reihen der Volksschullehrer vertreten, erlaubt man ihnen die Erziehung der Jugend jener Gemeinden zu übernehmen, deren Verwaltung Brüder verlangen.

,,Die Brüder gehen nie allein in die Pfarreien, mindestens zu zweien. Es würden zuviel Unannehmlichkeiten für einen in der Welt alleinstehenden Bruder entstehen, so dass wir nie in das Verlangen mancher Gemeinden, nur einen Bruder zu senden, einwilligen können. Wir sind übrigens überzeugt, dass zwei an ein einfaches und armes Leben gewöhnte Brüder überall durchkommen können, wo Schule und Kirchen­dienst die nötigen Mittel für den Unterhalt eines Lehrers und dessen Familie aufbringen.

,,Die Gehaltsentschädigungen der Brüder sind nicht in allen Gemeinden dieselben. Sie übersteigen niemals die Summe von 600 Frs. für einen Bruder, bleiben sogar sehr oft unter dieser Summe. Die Brüder verlangen von den Kindern kein Schulgeld. Sie nehmen ihr Gehalt beim Gemeinde­einnehmer in Empfang. Sie helfen unentgeltlich in der Kirche, in der Sakristei und an der Orgel mit, aber sic nehmen nie eine andere Funktion in der Gemeinde an als jene des Lehrers, des Organisten und des Sakristan; sie können vor allem nie das Amt eines Gemeindeschreibers ver­sehen. Sic bleiben vollständig der Politik und den Parteien des Ortes fern. Sie nehmen nie ein Mädchen in ihre Schulen auf und werden nie den Gesang der Mädchen und Jungfrauen in der Kirche übernehmen.

,,Sie besorgen ihren Haushalt selbst. Wenn die Brüder nur zu zweien sind, so ist der ganze Tag in Anspruch genom­men und es steht fast kein freier Augenblick zur Erholung zur Verfügung: sie genügen sich aber, um alle die eben­erwähnten Obliegenheiten zu erfüllen.

,,Die Brüder kommen jedes Jahr in das Mütterhaus für die geistlichen Exerzitien um sich in ihrem Ordensgeist aufs neue zu stählen.

,,Ein Wort über unsere Methode. Unsere Brüder sind, wie alle Lehrer, was den Unterricht betrifft, den Satzungen der Universität unterworfen und sind verpflichtet, in ihren Schulen nur vom ,,Conseil national de l’instruction publique” genehmigte Lehrbücher zu haben. Die Methode ist gemischt; wir benützen die Lehrverfahren, die sowohl in Frankreich als in Deutschland anerkannt sind. Das hindert nicht, dass die Methode doch einheitlich für alle unsere Schulen ist und be­sonders die Gesundheit der Lehrer nicht beeinträchtigt. Gesang und geometrisches oder Maschinenzeichnen bilden einen integrierenden Bestandteil des Unterrichts in den Schulen. Wir sind auch vom Unterrichtsminister autorisiert, überall Unterricht in landwirtschaftlichen Fragen zu erteilen, wo die Ortbehörden es wünschen

,,In den höheren Schulen unterrichten wir in Geometrie, Physik, Chemie und Naturkunde.

Die Erziehung und der Unterricht, den wir unsern Kin­dern geben., hat als Grundlage die Religion. Die christliche Lehre bildetdas Fundament und durchdringt in allen Klassen unserer Schulen alle Zweige des Unterrichts. Die Seelen retten, dem Verstand die wahre Weisheit einprägen, die Herzen der Kinder in Unschuld bewahren, ist unser Ziel und unser einziger Ehrgeiz in allen unseren Arbeiten.

,,Die weltlichen Wissenszweige, in denen wir unterrichten, sollen ebenso wie die andern, mit der Hilfe Gottes, als Mittel dienen, um dieses höchste Ziel aller unserer Anstrengungen zu erreichen.”

 

Ehrendomherr J.J. Eugen Mertian (1823-1890)
Ein Beitrag zur elsässischen Schul- und Erziehunggeschichte des 19. Jahrhunderts
von Fr. X. MARTZ, Strasbourg, 1926